Freitag, 18. Dezember 2015

Tee am Coventry Canal





4000 km buddeln. Mit Schaufel, Ross und Wagen. Und ohne von der Gewerkschaft ausgehandelten Mindestlohn.


So lang sei das zwischen 1750 und 1850 erbaute Kanalnetz gewesen, das während der Industrialisierung der Transportweg für Kohle, Eisenerz und die produzierten Waren wurde. Zur Überwindung von Steigungen und Gefällen wurden Hunderte von Schleusen gebaut. Dazu kamen, wenn es nicht möglich war zu hohe Hügel und zu steile Senkungen mit mehreren aufeinander folgenden Schleusen zu überqueren, Brücken und Tunnels. 




Heute sieht das alles sehr idyllisch und friedlich aus. Auf den langen, schmalen Booten gibt es keine Ladefläche mehr, sondern nur noch Wohnraum, denn sie werden für Ausflüge oder für grössere Touren benutzt. Dazu eignen sich übrigens auch die dem Kanal entlang führenden Pfade, die früher für die Pferde waren, die die Schiffe zogen, und heute sind es angenehme Wander- oder Velowege. Es gibt auch Leute, die an einer fixen Stelle in einem narrow boat wohnen. Weg von Strassenlärm und Hektik, „let`s slow living!“.




Der Frau, die vor einer halben Stunde vor dem Rolling sweet home stand, will das Relaxing noch nicht ganz gelingen. Sie kam von der Arbeit zurück, und sie wohne dort hinten in einem narrow boat. Als sie ihr Auto auf den Parkplatz stellt, ist sie ausser sich. Ob ich denn und das sei doch und das sei doch nicht und wie lange denn…  „This is a car park, it`s not for caravans!“  Ob ich denn die paar Autos oder sie konkret störe und “private” sei es hier ja auch nicht? Kein Ja oder Nein, nur “this is a car park!“. Warum ich über diese Episode berichte und mich nicht über eine gestresste, frustrierte, weder hübsche noch glücklich wirkende Frau lustig mache: Weil ich diese Haltung inzwischen schon mehrmals erlebt habe. Viele scheinen sich zu stören daran, wenn etwas anders ist, wenn jemand hier etwas anderes tut, etwas Unübliches. Ob der Boden „private“ oder „public“ sei. Und interessant: Ich höre dabei nie das Wort „verboten“, es geht nicht um gesetzlich Verbotenes. Man sagt „you can`t…“ oder „I can`t let you…”. Man meint, Andere und Anderes von seinem gewohnten Territorium fernhalten zu müssen.

Und wenn`s dann halt ganz schlimm und kaum zu ertragen ist, wirft man die Hände über dem Kopf zusammen  und wiederholt immer wieder: „But this is a car park!“

Etwas „Böses“, ich gestehe es, habe ich ihr gesagt, und zwar gleich nach ihren ersten Sätzen: Ich habe ihr ganz offen „Good afternoon“ gesagt und auch, dass Grüssen eine Gewohnheit von mir sei.

Dabei war die Ankunft hier so lovely. Ich finde nämlich die kleine Nebenstrasse und die typische Buckelbrücke, die über den Kanal führt. Daneben gruppieren sich aber noch weitere alte Backsteingebäude. Eines hat einen zweiten Eingang für Boote, die direkt unten hineinfahren können. The blacksmith. Ein anderes ist an der Stirnseite rund gebaut. Damit Pferd und Wagen drumherum kamen. Jetzt wohnt ein älterer Ire in diesem Häuschen, der gerne Banjo spielt.





In einem weiteren, das früher der Pferdestall war, ist jetzt ein Tea shop eingerichtet. Was für einen Tee ich denn möchte? Ja, was für einen Schwarztee denn? (Klar, du kannst in England ebenso wenig in ein Pub gehen und sagen, du hättest gerne ein Bier…) Hundert Teesorten, fünfzig Torten-, Gebäck- und Biscuitarten und ebenso viele alte blumenbemalte Tassen, in einer Ecke eine elektrische Gitarre mit dem Schildchen „For Sale – 52 pounds“. Mike, der den Laden führt, steht sicher zehn Minuten am Tisch der neu angekommenen Gäste um Auskunft zu geben über die einzelnen Tees. „Was für ein getrocknetes Kräutchen hätten wir denn heute gern im heissen Wasser?“

Ein akkurates Völklein, diese Briten: A tea is a tea und a car park is a car park. Isn`t it?




Ein Ausflug an den Grand Union Canal zu zwei Kanal-Wundern: Eine Abfolge von mehreren Schleusen (a flight of locks) und ein Kanaltunnel (1,5 km lang). Dazu das Dach des Red Lion und – warum nicht? – ein paar Schafe.