Mittwoch, 16. Dezember 2015

Sign watching










Sie lieben die Schilder, die Engländer. It`s a habit.



Und habits machen Menschen sicher.

Stell dir vor, du kommst an einen langen Zaun, durch den es nur einen Durchgang gibt. In England hätte es daneben ein Schild, auf dem stehen würde: Nehme zum Durchgehen dieses Tor. Da Tore grundsätzlich verschiedene Farben haben können, es sich aber bei diesem einzigen Tor um ein naturbelassenes Holztor handeln würde, würde auf dem Schild stehen: Nehme zum Durchgehen dieses braune Tor. Es könnte aber sein, dass du vor dem Schild stehst und dann rechts schaust und kein braunes Tor siehst. Genau an diesen Fall hat man natürlich gedacht und daher das Schild mit einem nach links weisenden Pfeil angereichert. Und tatsächlich: Einen Meter, sorry, drei Fuss links vom Schild befindet sich das braune Tor.




Aber wie kommst du da durch? Es ist nämlich mit einem Riegel geschlossen. Don`t panic – neben dem Riegel hat es ein Schild: Du sollst den Riegel anheben und dann das Tor aufstossen. Ich habe es nach dem Durchgehen offen gelassen, im Zweifel zwar, denn ich suchte vergeblich nach dem Schild „Close the gate properly after passing“ oder wenigstens „Leave the gate as you like“.




So viele Schilder machen eben auch nur beschränkt sicher, weil dir die nicht vorhandenen Schilder umso mehr das Gefühl geben, gerade jetzt etwas nicht richtig zu machen. Was gebietet mir zum Beispiel das „Keine Fahrräder“- und das „Hunde an die Leine“-Schild bezüglich meiner Absicht, auf dem Rücken meines gezähmten Tigers einen Ausritt zu machen? Darf ich dies in den Monaten Oktober bis Februar sogar tun, ohne ein Ticket zu purchasen?




Angenommen, ich fahre in die Wüste, und mitten in der Wüste gibt es einen Parkplatz. Und rundherum nur Wüste. Auf dem Parkplatz-Schild steht, dass hier nur Besucher der Wüste parkieren dürfen. Alles okay, klarer Fall, denkt man. Aber was, wenn sich zwei Schwule hier verabredet haben, denen die Wüste am Arsch vorbeigeht? Wie wäre es statt „Car park for bird watchers only“ mit einem Parkplatz „For gay sex only“? Bräuchte übrigens nicht in der Wüste zu sein.




A propos „Bird watching“:  Man stellt hier auch Schilder auf, die einem weder zu einer Handlung auffordern, noch von einer solchen abhalten sollen. Es geht um eine Mischung von Information und einer Wertschätzung dessen, was man hat. In welchem anderen Land würde man erwähnen, dass hier Spatzen zu beobachten sind? Und zwar nicht nur von März bis September. All year! Die farbliche Beschreibung mit „brown and grey“ fehlt allerdings. Auch das „Have a cup!“ auf dem Kaffee-Schild beim Pub ist wohl nicht unbedingt als Imperativ zu verstehen. Das „fresh brewed“ übrigens auch nicht – das Gesüff war lau und abgestanden, aber: We have coffee!




Trotz des nebelfeuchten Wetters war mein Spaziergang am Seeufer pretty lovely. Wo sonst gibt es so einladende Bänke, auf die man sich bei schönem Wetter setzen könnte? Ist da nicht ein kleines Schild dran? – Who the hell was Gwenda Hamilton?





Damit man sich beim nicht ungefährlichen Bird watching etwas sicherer fühlen kann, steht alle 200 Meter ein länglicher Verschlag, den man von hinten betreten muss. Durch eine Schiebetür. Da sich eine solche weder durch „Push“ noch durch „Pull“ öffnen lässt, ist sie mit einem „Slide“-Schild versehen. Damit sie niemand gegen rechts slidet und sie so im dümmsten Fall aus der Schiene fahren und gänzlich von der Hütte loslösen könnte, weist das Schild einen klaren Pfeil gegen links auf. Sind sie drinnen, können sich die Vögeler auf einer Linie verteilen, etwa ein Dutzend kommt da schon unter, und die (braune!) Holzklappe vor sich hochklappen. Unbedingt den Haken an der Schnurschlaufe oben einhängen, sonst kracht sie euch auf die Birne herab, was die Spatzen und Enten verängstigen könnte. Heimlich habe ich mich beim Eindunkeln nochmals zu diesem Verschlag geschlichen und ein Schild darin aufgehängt: „Make sure that the Klappe is open before you shoot the Spatzen from the trees herunter“.





Seit ich am Schluss des Rundganges am Ende des Parkplatzes noch ein weiteres Schild gesehen habe, fühle ich mich ziemlich unbehaglich. Sind diese Naturvögeler wirklich zu allem fähig? Würden die nicht nur Spatzen, sondern gar mich zur Zielscheibe machen? Und soll ich denn wirklich alle Habseligkeiten mitnehmen, um mal kurz hinter einem Busch zu verschwinden? Das Beste wird wohl sein überhaupt zu verschwinden.





Erst beim Wegfahren sehe ich am Strässchen, dass es hier auch Truthähne gibt. Die ideale Zeit für Turkey watching muss um Weihnacht herum sein.