Dienstag, 15. Dezember 2015

Private or United ?










Nördlich Richtung Midlands. Es ist schon dunkel, und ich fahre für die Übernachtung auf den grossen Parkplatz einer Autobahnraststätte.


Schon bald kommt ein gelber Sicherheitswesten-Stewart um Geld für ein Parking ticket einzuziehen. „Wie viel?“ – „25“ – „25 what?“ – „25 pounds“. „Are you joking?“ – „Nein, ich bin nicht.“ Dies sei „private ground“, auf dem die Firma „Extra“ die Raststätte und die Parkplätze betreibe. Weil er jung ist, der Sicherheitswestler, frage ich ihn nicht, ob er schon mal etwas von Margaret Thatcher gehört habe. England scheint grösstenteils „private“ zu sein, was entweder bedeutet „bleibe fern“ oder „komm und lass dich abzocken“. „You have the choice“, wie er mir freundlich sagt. Oh England, you lovely old bitch!




Der Gegenentwurf zu “private” heisst “united”. Oder ist es nur eine Erweiterung? Vor dem Eingang des Gebäudes, an dem „united“ steht, hält ein protziger Bentley. Ein Mann mit kurzer Sporthose steigt aus. Ich stehe vor dem Stadion des „Peterborough United Football Club“. Heute ist das Spiel gegen Shrewsbury Town. Zu regnen hat`s inzwischen aufgehört, der kalte Wind ist geblieben. Er kippt meinen Pappbecher Kaffee um, den ich auf ein Mäuerchen stelle, und er wird später nicht jeden ruhenden Ball beim Freistoss ruhen lassen. Zuerst wird er aber vor dem Anpfiff noch die Frisur des Pfarrers zerzausen und einigen Knäblein unter die Röcke blasen, denn vor Spielbeginn stellt sich ein frommer Kinderchor im Anspielkreis auf. Während sich die Mannschaften in ihrer Spielfeldhälfte aufwärmen, beginnt der Pfarrer von einem jungen Paar auf der Flucht vorzulesen, sie hochschwanger, das keine Herberge zur Übernachtung fand und dann in einem schäbigen, kleinen Stall Unterschlupf suchte, wo tatsächlich das holde Kind ins Stroh einer Futterkrippe hinein geboren wurde. In der Gegend von Syrien sei das gewesen, wenn ich ihn über den sich überschlagenden Ton des Stadionlautsprechers richtig verstehe, und ob wir jetzt Europa mit Zäunen absichern sollen oder nicht (private or united?), das zu sagen kommt er nicht dazu, denn jetzt fisteln die Chorkinder die international üblichen Weihnachtslieder hochtönig in den Stadionhimmel des immerhin schon 12. Dezembers. Die Spieler beenden derweil das Aufwärmen und sprechen sich nochmals Mut zu. Ein 1.90-Neger herzt die auffallend kleine Nummer 10, sicher unter 1.60. Und tatsächlich: Der grosse Brocken stellt sich hinten in die Innenverteidigung (er wird sich als zuverlässiger Abräumer entpuppen), und der kleine 10-er spielt im offensiven Mittelfeld wie das Christkind. Wieselflink, verliert kaum einen Ball und schlägt traumhafte Pässe. Einer davon führte zum 1 : 0, der 1 : 1-Ausgleich bestätigt die allgemeine Beobachtung, dass es den englischen Torhütern nicht zu göttlichem Niveau reicht. Auch nicht in der Weihnachtszeit.





 

Dann suche ich einen Übernachtungsplatz on the countryside und erwache am Morgen an einem kleinen See, bei 6 Grad outdoor und indoor. Ein overnight-parking-Verbotsschild gibt es nicht, nur ein Hinweisschild, dass dies nur ein Parkplatz für Besucher des Naturgebietes sei. Na also. Als Overnight-Natur-Freak nutze ich den Interpretationsspielraum und bleibe den ganzen Tag unbehelligt. Von Ticket-stewards und von Weihnachtschören. Nebenan weiden Schafe. Alle sind schwarz.